Wie kannst Du herausfinden, ob Du Synästhetiker bist oder nicht?
Ich kann Dir hier 3 Anregungen geben, wie Du Dich weiter auf Entdeckungsreise machen kannst:
Nämlich Testmöglichkeiten zu (1) Online-Tests, (2) Selbsttests und (3) maschinelle Verfahren.
Zu den Merkmalen von Synästhesien geht es übrigens hier.
Je einen Beitrag gibt es auch zu den möglichen Vorteilen, sowie den möglichen Nachteilen von Synästhesie.
1) Online-Tests
Zwischen all den Informationen zu Synästhesie im Internet gibt es mittlerweile auch den einen oder anderen Online-Test.
Auch wenn diese Tests nur bestimmte Merkmale ausgewählter Synästhesie-Arten abfragen und daher begrenzt sind, können sie manchen sicherlich trotzdem einen Anhaltspunkt geben.
Los geht’s:
Die „Synesthesia Battery“
Update 10/2021:
Die Webseite ist wieder online und erreichbar. Die Links funktionieren wieder (bis auf die Demo-Seite).
Danke an Leo für den Hinweis : )
Allen voran ist der Test der „Synesthesia Battery“ von Dr. David Eagleman sehr zu empfehlen. Der Test ist sehr präzise und ausführlich und wird für die Forschung genutzt. Eagleman ist selbst Neurowissenschaftler und forscht über Synästhesie.
Auf der Hauptseite kannst Du die Sprache Deutsch und weitere Sprachen auswählen.
Mit dem Vortest kannst Du Dich erstmal durch ein paar Fragen klicken. Das Ergebnis sagt Dir dann, ob Du Dich für den Haupttest registrieren solltest oder nicht.
Tests der Universität Düsseldorf
Der Test für Synästhetiker und der Assoziationstest für Nicht-Synästhetiker wurde inzwischen leider vom Netz genommen. Die Seite war von 2009. (Stand 4/2023)
Test der Universität Bern
Die Universität Bern hat ihren einen Synästhesie-Check mit 38 Fragen noch online. Auch hier können Synästhetiker und Nicht-Synästhetiker teilnehmen.
Tests auf synesthesia.com
Bei Marc Mächler auf synesthesia.com kann man 2 Tests machen.
Beim ersten Test einfach auf „Play“ drücken.
Für den zweiten Test muss man sich registrieren. Die Seite ist auf Englisch.
Anmerkung: Die Seite funktioniert mit dem Browser Firefox nicht immer.
Kurztest auf onmedia.de
11 Fragen zu „Wie nehmen Sie Sinnesreize wahr?“, am Ende gibt es eine Einschätzung zu den angegebenen Antworten.
Kurztest auf synesthesiatest.org
Ein kurzer 10-Fragen-Test auf Englisch, der eher etwas verwirrend ist (am besten nicht die zusätzlichen Fragen unter den Hauptpunkten lesen).
Test über die App „SynQuiz“
Es gibt eine App mit 4 Tests von der Radboud University (Niederlande) zum Download für Smartphones und Tablets. Auf der verlinkten Seite gibt es eine kurze Erklärung. Man kann damit auch bei einer Studie beim Projekt „Entschlüsselung der Genetik von Synästhesie“ des Max-Planck-Instituts in Nimwegen/Niederlande mitmachen.
Die Seite ist zwar auf Englisch, aber weiter unten gibt es detailliertere Informationen in verschiedenen Sprachen.
In Großbritannien ist im Juni 2020 ein neues Projekt gestartet:
„The Polychrome Project“
Synästhetiker und Wissenschaftler stehen oft vor der Herausforderung, dass es in Tests zu wenige Farben und Farbnuancen zur Auswahl gibt. Es kann frustrierend sein, wenn man einen bestimmten Ockerton für sein „N“ braucht und dieses Ocker aber im angeboteten Computertest nicht zur Auswahl steht.
Es wurde nun ein Prototyp entwickelt, den Graphem-Farbe-Synnies testen und dazu ihr Feedback hinterlassen können.
Man kann den Multi-Color-Picker hier ausprobieren. Wer mit Grafikprogrammen arbeitet, kennt diese Möglichkeit des Color-Pickings.
Die Seite ist auf Englisch.
Andere Tests
Die Internettests waren die bequeme Variante. Du klickst einfach die Aufgaben weiter und am Ende steht eine Art „Ergebnis“.
Es gibt noch weitere Tests, die entweder über eine Software am Computer laufen oder anderweitig auf den Probanden angepasst und personalisiert werden (müssen):
„Pop-Out-Test“
Eine recht bekannte Variante ist der „Pop-Out-Test“.
Dabei werden schwarz gedruckte Zahlen oder Buchstaben untereinander gemischt.
Ein Synästhetiker, für den zum Beispiel die Zahl 2 rot ist und die Zahl 5 grün, würde einen Bildeindruck wie hier im Beispiel sehen und die untergemischten Zahlen leichter erkennen.
Dieser Test funktioniert aber nur bei Synästhetikern, die ihre Farben ins Außen „projizieren“, also zu den „Projektoren“ gehören.
Im Gegensatz dazu funktioniert der Test nicht bei „Assoziatoren“. Diese Synnies sehen die Farben im Inneren.
Zu „Projektoren und Assoziatoren“ habe ich hier einen eigenen Artikel geschrieben.
„Stroop-Test“
Ein weiterer Test ist der „Stroop-Test“:
Der Test ist recht bekannt, auch unter Nicht-Synnies. Versuche mal, die Farbe der Wörter aus der folgenden Grafik schnell und laut vorzulesen:
Gar nicht so einfach, oder? Ein kleiner Test gefällig? Den kann man hier auf dieser Seite machen. Es wird auch nochmal genauer erklärt.
Für Farb-Graphem-Synästhetiker wird diese Art von Test in Studien mit den eigenen Farben personalisiert. Das habe ich online aber (noch) nicht gefunden.
Beim Messen von Reaktionszeiten lässt sich in der Regel ein signifikanter Unterschied zwischen Synästhetikern und Nicht-Synästhetikern ausmachen.
„Navon-Task“
Dann gibt es den „Navon-Task“.
Dabei werden viele kleine Buchstaben zu einem großen Buchstaben verarbeitet (oder auch Zahlen). Es entsteht eine Art Wahrnehmungs-Konflikt, weil das Gehirn zwischen beiden Eindrücken, bzw. Buchstaben hin- und herspringt.
Ein Beispiel siehst Du hier.
Diese Art von Tests kann man nur mit Aufwand selbst herstellen. Es braucht zumindest eine Software dafür.
2) Selbsttests
Das ist nun die intensivere Variante ;- ) Allerdings musst Du Dir dafür etwas mehr Zeit nehmen.
Wenn Du Deine Wahrnehmungen genauer kennenlernen möchtest, setzt Du Dich nicht mehr nur allgemein mit Synästhesie auseinander. Du beschäftigst Dich mit Dir selbst und schulst damit automatisch die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung.
Du stellst Dir dabei nämlich permanent die Frage: „Wie ist das denn bei mir?“.
Hier meine Tipps, wie Du selbst vorgehen kannst und wie ich es machen würde, wenn ich nochmal von vorne anfangen müsste:
Tipp Nr. 1
Nimm Dir die Liste der Synästhesie-Arten vor, um einen Überblick zu bekommen, was für Kombinationen bereits festgehalten wurden.
Gehe danach jede einzelne Art bewusst durch und stelle Dir erst den Auslöser (steht links in der Tabelle), dann das synästhetische Erlebnis dazu vor (steht rechts in der Tabelle).
Damit bekommst Du schon einen Eindruck, was mit dieser Synästhesie-Art gemeint ist.
Ein Beispiel wäre: einen Klang → Sehen
Wenn Du die Liste durchgehst, frage Dich dann, ob Du mit diesen Kombinationen etwas anfangen kannst. Vielleicht erinnerst Du Dich noch an frühere Gedanken oder Kommentare von Dir.
So etwas wie „meine Lehrerin spricht heute aber sehr blau“ oder „1+3 ist Gelb“ oder „die Handbewegung macht einen hohen Ton“.
Als Synästhetiker springt Dich vielleicht eine Kombination bereits an und Du hast eine Art „Aha-Erlebnis“. Entweder weil Dir die Entsprechung sehr bekannt vorkommt oder für Dich sogar selbstverständlich ist.
Oder Du hast ein eher diffuses Gefühl, weil Du Dir nicht sicher bist und noch mehr Informationen brauchst.
Und dann wird es einige Arten geben, die Dich überhaupt nicht ansprechen.
Das kannst Du jeweils so für Dich notieren.
Falls Du in der Liste übrigens einmal nicht weißt, was für ein Auslöser gemeint ist, versuche über eine Internetsuche weitere Informationen dazu zu bekommen.
Ich versuche meine Seite nach und nach auszubauen und auch unbekanntere Synästhesie-Formen vorzustellen.
Tipp Nr. 2
Eine weitere Möglichkeit ist, den Auslöser in der Realität zu testen.
Das geht nicht bei allen, aber bei vielen Arten. Auch hier kannst Du die Liste danach durcharbeiten.
Nimm zum Beispiel die Synästhesie-Art „Ton → Geschmack“.
In ruhiger Umgebung könntest Du also etwa eine Gitarrensaite anschlagen und Dich darauf konzentrieren, ob dieser spezifische Ton für Dich eine geschmackliche Erfahrung hervorruft.
Falls ja, versuche den Geschmack gedanklich festzuhalten und probiere es mit einer anderen Saite. Verändert sich der Geschmack? Wie ist es mit den anderen Saiten? Notiere Dir Deine Erfahrungen.
Wenn Du eine Pause machst und den Test wiederholst, kommt der jeweilige Geschmack dann wieder?
Falls nein, probiere es noch mit anderen Saiten oder einem anderen Instrument.
Falls sich gar nichts tut, ist diese synästhetische Verknüpfung bei Dir wahrscheinlich auch nicht vorhanden.
Ein anderes Beispiel wäre „Geschmack → Sehen“.
Probiere bewusst verschiedene Lebensmittel und achte darauf, ob sich mit dem Entfalten des Geschmacks im Mund zusätzlich Strukturen, Farben oder Muster auftun. Diese können sich auch durch den Raum bewegen.
Wo Du das wahrnehmen, bzw. sehen kannst? Hier hilft mein Artikel zum „inneren Monitor“ vielleicht weiter.
Oder fühlst Du eine Temperatur am Körper? Vielleicht hörst Du einen Klang? Oder hast eine Art „Ticker-Tape“?
Es geht hier insgesamt natürlich nicht darum, sich nun zwanghaft etwas vorzustellen, das nicht da ist. Es geht darum zu spüren, ob sich ohne Anstrengung zum getesten Auslöser automatisch eine zusätzliche Wahrnehmung einstellt.
Mir hilft es übrigens, wenn ich beim bewussten Wahrnehmen die Augen schließe. Da ich viele Auslöser „sehe“, halte ich mir manchmal sogar die Augen zu, damit ich meine synästhetischen Wahrnehmungen noch besser erkennen kann.
Tipp Nr. 3
Einige Synästhesie-Formen wie Buchstaben, Zahlen, Zeiteinheiten (Wochentage, Monate), aber auch OLP (Buchstaben und Zahlen haben eine eigene Persönlichkeit) lassen sich gut mit Notizen selbst testen.
Nimm Dir einfach Stifte und ein Blatt Papier und notiere Dir zu jedem Element Deine Eindrücke.
Zum Beispiel kannst Du Dir das Alphabet, Zahlen oder Wochentage in Deinen Farben aufmalen. Oder versuchen, das Muster zu zeichnen, das Du dabei wahrnimmst.
Wenn Deine Buchstaben wie bei der OLP-Synästhesie eine Persönlichkeit und einen Charakter haben, kannst Du Dir die Merkmale zu jedem Buchstaben aufschreiben.
Danach sperrst Du den Zettel weg und setzt Dir einen Termin für einige Zeit später. Zum Beispiel 3 Monate.
Nach dem gewählten Zeitraum nimmst Du wieder Stift und Papier und wiederholst das Ganze. Natürlich ohne vorher auf den früheren Zettel zu schauen.
Dann legst Du den ersten Zettel dazu und vergleichst die beiden Blätter. Stimmen die Farben, Formen, Bemerkungen im Großen und Ganzen überein?
Diese Art des Tests ist bekannt als Test of Genuineness (ein „Echtheits-Test“), weil damit getestet werden kann, wie beständig ein Eindruck, bzw. eine synästhetische Wahrnehmung über eine längere Zeit ist.
Wenn man nicht schummelt, sind diese Tests schon recht zuverlässig (auch der Online-Test der Synesthesia Batterie von oben gehört dazu).
Ein Synnie, der einen Auslöser in Farben übersetzt, muss diese Verknüpfungen nämlich nicht auswendig lernen. Er schaut einfach, was sich automatisch zeigt. Zum Beispiel, dass das „K“ immer die Farbe Braun hat.
Der Forscher Baron-Cohen hatte mit diesem Test mit seinen Synästhetiker-Probanden nach einem Jahr noch eine „Trefferquote“ von über 92 %.
Die Kontrollgruppe der Nicht-Synnies wurde eine Woche später gestestet: die Übereinstimmung lag nur bei knapp 38 %.1
Ich hoffe, dass Dich diese Tipps zusammen mit der Liste der Synästhesie-Arten ein Stückchen weiterbringen. Ich habe einige Synästhesie-Formen erst nach einiger Zeit an mir entdeckt, weil ich bis dahin gar nicht richtig „hingeschaut“ oder davon nichts gewusst habe.
Es braucht eben etwas Zeit, Konzentration und Fokus.
Übrigens habe ich auch festgestellt, dass bei überraschenden Eindrücken Synästhesien für mich klarer erkennbar sind.
Eine zuschlagende Haustür, die ich nicht erwartet habe, kann mit dem Schreck ein sehr deutliches Bild ergeben. Vielleicht kannst Du darauf auch einmal achten. Dadurch sind mir z.B. die Schmerz-Synästhesien aufgefallen.
Es gibt natürlich auch Synästhesien, deren Auslöser sich schwer reproduzieren oder wiederholen lassen. Die Gefühlssynästhesie oder die One-Shot-Synästhesien gehören hier dazu.
Es gibt also drumherum noch einige Variablen, die zusätzlich ein Einkreisen der eigenen Synästhesie-Formen erschweren (können).
Aber allgemein kann man mit dieser Listen-Methode schon einiges für sich herausfiltern.
3) Maschinelle Testverfahren
Die Online-Tests und die Selbsttests konntest Du alleine daheim durchführen.
Nun gibt es in der Medizin noch die Möglichkeit, mittels maschineller Verfahren aktive Bereiche des Gehirns sichtbar zu machen.
Da wären zum Beispiel:
- Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)
- Die Positronen-Emissionstomographie (PET)
- Das Elektroenzephalogramm (EEG) oder
- Die Xenon-133-Inhalationstechnik
Mit diesen Verfahren kann gezeigt werden, dass sich bei einem Synästhetiker, der zum Beispiel Musik in Farben sieht, zusätzlich zum Hörzentrum auch Bereiche des Sehzentrums mitaktivieren.
Solche Untersuchungen werden vorrangig angewandt, um belastbare Erkenntnisse für Studien und die Forschung festhalten und vergleichen zu können.
Diese Verfahren sind allerdings teuer und aufwändig. Man kann sie nicht alleine durchführen und braucht Fachpersonal, das die Messungen dann auch interpretieren kann.
Da Synästhesie keine Erkrankung ist, dürfte auch keine Krankenkasse die Kosten solcher Untersuchungen für die „Bestätigung einer Synästhesie“ einfach so ohne Indikation übernehmen.
Der Großteil an Synästhetikern wird daher, außer vielleicht für Studienzwecke, eher weniger mit diesen Verfahren zu tun haben.
Falls Du diese Möglichkeit trotzdem in Betracht ziehen möchtest, solltest Du Dich an Stellen wenden, die Synästhesieforschung betreiben. Hier habe ich einige Adressen zusammengestellt.
Ab und zu werden Probanden oder Teilnehmer für Studien gesucht.
Falls Dich Videos zur Synästhesie interessieren sind diese Dokumentationen eventuell etwas für Dich.
Und falls Du lieber in Büchern schmökerst: Hier habe ich Fachliteratur und Belletristik zur Synästhesie zusammengestellt.