Ab und zu werde ich gefragt, ob man seine Synästhesie auch verlieren kann.
Die Antwort ist: Ja.
Synästhetische Verbindungen bleiben in der Regel ein Leben lang bestehen. Diese Beständigkeit ist auch eins der Merkmale der Synästhesie.
Durch Erkrankungen, Schlaganfälle oder Unfälle mit Kopfverletzungen ist es aber möglich, dass die Wahrnehmung der Synästhesie beeinträchtigt wird bzw. sogar verloren gehen kann.
Gehirnstrukturen können dabei so geschädigt werden, dass die Betroffenen ihre Synästhesie in veränderter Form oder eben gar nicht mehr wahrnehmen.
Ein 24-jähriger Mann, der einen Kopfschuss erlitten hatte, verlor durch den Vorfall seine Nummer-Sequenz-Synästhesie. Bei dieser Synästhesie ordnen sich Zahlen unwillkürlich in Abfolgen im Raum an (Die Zahlen haben eine Position im Raum).
Abgesehen davon, dass er Glück hatte überhaupt zu überleben:
Mit dem Verlieren seiner Synästhesie war er letztendlich auch nicht mehr in der Lage zu rechnen.
In einem anderen Fall konnte ein Maler nach einem Autounfall beim Musikhören keine Farben mehr sehen (Musik-Farb-Synästhesie).
Die Fähigkeit zum Erleben von Synästhesie kann also durch Verletzungen des Gehirns verloren gehen. Häufiger sind aber Fälle, in denen Synästhesien nur vorübergehend ausfallen:
Temporärer Ausfall
In den ersten zwei Monaten nach einer Gehirnoperation konnte ein Synästhetiker seine üblichen Synästhesien (Berührung-Farb-Synästhesie und Emotion-Farb-Synästhesie) nicht wahrnehmen. Erst nachdem der Heilungsprozess fortgeschritten war, rückten die synästhetischen Farben wieder in den Vordergrund.
Ein anderer Synästhetiker mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) hatte bis 4 Monate nach dem auslösenden Ereignis keine synästhetischen Wahrnehmungen mehr. Erst nach und nach kam seine Synästhesie wieder zurück.
Dies sind Beispiele von ernsteren Auslösern. Aber auch eine Erkältung kann zum Beispiel Geschmacks- oder Geruchssynästhesien lahmlegen oder abschwächen. Diese Sinne sind bei einer solchen Erkrankung vorübergehend beeinträchtigt, genauso wie bei Personen ohne Synästhesie.
Mit einer Erkältung schmeckst und riechst Du schließlich wenig bis gar nichts.
Ein Verlust oder Ausfall von Synästhesie, wie oben beschrieben, muss nicht für immer anhalten. Je nach Auslöser können die synästhetischen Wahrnehmungen nach einiger Zeit auch wieder zurückkommen. Dabei zeigen sich in der Regel dieselben Synästhesie-Verbindungen, die vorher schon da waren.
Temporäre Ausfälle kommen allerdings häufiger vor als ein lebenslanger Verlust der Synästhesie.
Quellen, u.a.:
– Developmental aspects of synaesthesia across the adult lifespan (2014)
– Can synesthesia ever be lost? (aufgerufen am 2.10.2019)
– Day, Sean: Synesthetes. A handbook (2016: 103ff.)*
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