Kennst Du den Film „Minority Report*“ aus dem Jahr 2002?
Darin gibt es eine Szene, in der der Hauptdarsteller Tom Cruise vor einer Art durchsichtigen Tafel steht.
Irgendwann beginnt er, gespeicherte Bilder und Szenen aus einem System mit seinen Händen auf dieser Tafel hin- und herzuschieben.
Er holt Bilder in die Mitte, zoomt sie heran und vergrößert einen Ausschnitt, schiebt ihn wieder weg.
Als ich das damals zum ersten Mal gesehen habe, war ich begeistert!
Es kommt nämlich schon irgendwie nahe an das heran, was ich auch auf meinem „inneren Monitor“ oder meiner „inneren Arbeitsfläche“ ständig mache.
Wen die Umsetzung im Film interessiert, hier der Ausschnitt aus einem YouTube-Video:
Der Film hat mit Synästhesie nichts zu tun. Aber auch ich „arbeite“ in etwa so.
Das bedeutet, dass ich mir zum Beispiel das mentale Bild meiner Wochenübersicht vor mich hinlege und an den Tag zoome, den ich mir genauer anschauen möchte.
Liegt da ein Termin drin? Um wie viel Uhr?
Oder wenn ich ein Detail aus einem vergangenen Gespräch erinnern möchte:
Dann versuche ich mir den kompletten Gesprächsblock heranzuholen und soweit auseinanderzuziehen bis ich den betreffenden Bereich vor mir habe.
So kann ich zum Beispiel gesprochene Wörter besser erkennen.
Im Übrigen kann das auch mal ein Streitpunkt werden, weil ich auf diese Weise sehr wahrscheinlich sagen kann, ob im Gespräch zum Beispiel das Wort „Geld“, „Knete“ oder „Mäuse“ gesagt wurde. Weil es eine andere Farbe hat und ich den Farbeindruck erinnere.
Leider (bzw. zum Glück!?) funktioniert das nicht flächendeckend für alle Unterhaltungen.
Aber wenn es ein emotionales Gespräch war, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich mich genauer erinnere.
Da lasse ich mich in meinem Standpunkt dann auch kaum davon abbringen. Weil ich es ja eindeutig sehen (aber eben nicht beweisen) kann.
Mit Händen sprechen
Eine Freundin witzelt jedenfalls heute noch über mich, wenn ich mich lebhaft mit jemandem unterhalte. Für sie sieht es von Weitem manchmal aus, als würde ich in Gebärdensprache sprechen.
Mir selbst fällt das gar nicht auf. Aber ich verwende beim Sprechen oft intensiv meine Hände, um das zu unterstreichen, was ich ausdrücken möchte.
Für mich ist das ganz klar:
Dort wo die „Elemente“ auf meinem inneren Monitor liegen, von dort hole ich sie ab oder verschiebe sie an eine andere Stelle.
Wenn ich etwas erkläre, dann liegt der eine Sachverhalt oft auf der einen Seite. Und der andere eben auf der anderen.
Und dabei benutze ich gerne die gesamte Reichweite meiner Arme. ;- )
Auch bei Synästhetiker-Treffen fällt mir auf, wie bildhaft viele Teilnehmer das, was sie gerade erzählen, auch mit ihren Händen beschreiben.
Mir gefällt das. Es schaut so lebendig aus.
Und ich kann es sehr gut verstehen.
Der „innere Monitor“
Der „innere Monitor“ wird von Synästhetikern im Allgemeinen als der Bereich beschrieben, in dem bzw. auf dem sie ihre Synästhesien wahrnehmen.
Hier handelt es sich vor allem um Synnies, die Reize visuell wahrnehmen können, z.B. Geschmack –> Bild; Musik –> Formen; Geruch –> Strukturen.
Jemand der z.B. dagegen ein Geräusch schmecken kann, wird den Geschmack eher im Mund wahrnehmen.
Der „innere Monitor“ lässt sich grob in 3 Attribute einteilen:
Ort, Größe und Dimension.
Ort
Damit ist gemeint, wo die Synästhesien wahrgenommen werden:
- Außerhalb des eigenen Körpers
Die meisten Synästhetiker geben an, dass sie ihre Synästhesien hauptsächlich außerhalb des eigenen Körpers wahrnehmen. Häufig vor dem Gesichtsfeld, vor dem Brustkorb oder allgemein vor dem Körper.
Einige berichten auch, dass sie die Synästhesien um ihren Körper herum registrieren. Als wenn sie in der Mitte stehen und der Raum um sie herum die Projektions- oder Wahrnehmungsfläche darstellt. Auch über oder hinter dem Körper können Synästhesien registriert werden.
Manche Synnies können sogar um ihre Gebilde herumgehen oder in sie eintreten.
- Innerhalb des eigenen Körpers
Dann gibt es Synnies, die ihre Synästhesien in ihrem Körpers bemerken. Vor allem „innerhalb des Kopfes“. Oder vor dem inneren Auge.
Das bedeutet nicht, dass sie sich etwas vorstellen, sondern dass aufgrund eines Auslösers z.B. synästhetische Bilder dort wahrgenommen werden.
- Sowohl außerhalb, als auch innerhalb des Körpers (beides)
Auch gibt es Synästhetiker, für die die Wahrnehmungsfläche sowohl ein Stück in den Körper, als auch ein Stück in die Außenwelt ragt. Da gehöre auch ich dazu.
Und es gibt bestimmt auch Synnies, die gar keine Grenze für den Wahrnehmungsbereich ausmachen können.
- auf dem eigenen Körper
Diese Synnies spüren ihre Wahrnehmungen am oder auf dem Körper. Vor allem sind dies taktile Empfindungen direkt auf der Hautoberfläche.
Wenn sich zum Beispiel das Surren eines Ventilators auf den Armen so anfühlt, als wenn sie ganz schnell beklopft werden.
Oder die Arme hüllen sich in einer Farbe ein, wenn etwas Scharfes gegessen wird.
Es gibt bestimmt noch feinere Ausprägungen oder Mischformen. Wenn Dir noch etwas einfällt, teile es gerne unten im Kommentar mit!
Größe
Die Größe des Monitors variiert von Situation zu Situation. Zumindest bei mir. Das hängt auch von meiner Konzentration ab.
Je lauter ich zum Beispiel etwas höre oder je intensiver ich etwas wahrnehme, desto größer ist auch die synästhetische Empfindung.
Der Monitor passt sich (bei mir) danach an, welche Größe der Eindruck hinterlässt. Zumindest nehme ich nur dieses Stück dann bewusst wahr.
Wenn ich mich nur leicht an einem Türrahmen stoße, erscheint das Schmerzbild kleiner und dumpfer, als wenn ich mir die Zehen wuchtig am Türrahmen anschlage.
Und wenn ich mir in voller Entspannung und Konzentration im Wohnzimmersessel ein Musikkonzert anhöre, mache ich „weit auf“ und habe eine große Ebene vor mir, die ich anschauen kann.
Dimension
Hier lässt sich eine Abgrenzung zwischen zweidimensional und dreidimensional machen.
Synnies, die ihre Wahrnehmungsfläche zweidimensional beschreiben, registrieren ihre Synästhesien auf einer planen Fläche. Wie zum Beispiel auf einem Blatt Papier oder einer Tafel.
Die Synästhesie erstreckt sich also nicht noch in den Raum wie bei einer dreidimensionalen Empfindung.
Dreidimensional haben die Eindrücke einen plastischen Charakter und können sich auch über den Raum ein paar Meter vom Körper weg ausbreiten.
Viele Synästhetiker, die Musik in Bildern sehen, berichten davon. Sie können zum Beispiel die Töne der einzelnen Instrumente als dreidimensionales Gebilde im Raum vor sich sehen und beobachten.
Es lohnt sich auch einmal den Unterschied bewusst „anzuschauen“, wenn man das gleiche Musikstück mit oder ohne Kopfhörer anhört. Mit Kopfhörer rücken die Bilder nämlich viel näher an den Kopf. Zumindest ist das bei mir so.
Der „innere Monitor“ oder der Wahrnehmungsbereich wird meistens als durchsichtig beschrieben und beeinträchtigt in der Regel nicht die reguläre Wahrnehmung.
Einschub:
Es wird allgemein noch eine Unterscheidung gemacht, bei der Synästhetiker entweder zu den „Assoziatoren“ (Wahrnehmung innerhalb) oder zu den „Projektoren“ (Wahrnehmung außerhalb) gerechnet werden.
Darauf gehe ich hier in diesem Beitrag näher ein, da die gängige Erklärung mich damals verunsichert hatte (ich nehme das meiste außerhalb meines Körpers wahr, bin aber trotzdem kein Projektor).
Soviel zu den 3 Attributen des „Monitors“: Ort, Größe und Dimension.
Monitor vs. Arbeitsfläche
Ich mache für mich noch eine kleine Unterscheidung:
Den Begriff „Monitor“ benutze ich eher dann, wenn ich etwas passiv anschaue.
Also wenn mein Gehirn Reize von außen synästhetisch in Formen, Strukturen, Farben oder Bilder umsetzt. Diese erscheinen dann automatisch auf meinem „inneren Monitor“, ohne dass ich etwas dazu tun muss.
Ich bin Beobachter. Es ist ein bisschen wie Fernsehen.
Wenn ich dagegen aktiv ein synästhetisches Bild anschauen möchte, dann bezeichne ich diese Fläche entweder gerne als „meine Arbeitsfläche“ oder „meinen Schreibtisch“.
Denn ich arbeite darauf oder damit. Verschiebe Elemente, zoome sie heran oder wieder heraus.
So ähnlich wie Tom Cruise oben im Video. ;- )
Aber das ist nur meine eigene Unterscheidung. Soweit ich weiß, gibt es das nicht offiziell.
Irritationen
Ab und zu gibt es Personen, die sich irritiert fühlen, wenn sie sich mit mir unterhalten.
Ich schaue zum Beispiel bei intensiveren Gesprächen gerne mal neben eine Person oder auf eine einfarbige Fläche im Raum (gerne eine weiße Wand oder auf den Teppich zum Beispiel).
Nicht, weil ich der Person nicht zuhöre oder ihr nicht in die Augen schauen möchte, sondern ganz einfach:
Weil sonst jemand in meiner „Arbeitsfläche“ steht!
Ich kann das Gespräch besser sehen, wenn ich auf eine ruhige, neutrale Fläche schauen kann.
Auch wenn ich etwas anhöre und synästhetisch anschauen möchte, dann blicke ich lieber auf die freie Tischoberfläche oder den Himmel. Und nicht auf vielschichtige Gegenstände oder Personen.
Das wird manchmal als Desinteresse ausgelegt. Oder als ob ich etwas Spannenderes entdeckt hätte als das aktuelle Gespräch (das merke ich, wenn sich mein Gegenüber dann plötzlich umdreht und meinem Blick folgt).
Das stimmt aber nicht. Meistens zumindest.
Dabei bin ich konzentriert am Verfolgen und Beobachten!
Normalerweise versuche ich mir das bewusst zu machen und immer wieder in die Augen meines Gegenübers zu schauen. Und nicht dauerhaft irgendwo anders hin. Aber das klappt eben nicht immer.
Der „innere Monitor“ ist für mich dreidimensional und befindet sich immer vor mir. Er reicht nicht hinter mich. Es spielt sich immer alles vor mir ab.
Als wenn ich mich an den Rand eines Swimmingpools auf den Bauch legen und von oben nur mein Gesicht inklusive Ohren ins Wasser (= mein Monitorbereich) tauchen würde.
Ich nehme meine Synästhesien also ein Stück innerhalb meines Körpers, den Hauptteil aber außerhalb des Körpers wahr.
So würde ich es für mich beschreiben.
Wie sieht der innere Monitor oder Deine Arbeitsfläche denn bei Dir aus?
Gibt es auch als Nicht-Synnie vielleicht eine Ebene, auf der Du bewusst Deine Informationen „verarbeitest“?
Der innere Monitor
Schreibe einen Kommentar