Mit dem aus dem Englischen übernommenen Wort Ticker-Tape ist die Ähnlichkeit zu einem Newsticker oder einem Nachrichten-Laufband gemeint. Das kennst Du aus dem Fernsehen, wenn zum Beispiel am unteren Bildschirmrand die Börsennachrichten oder Eilmeldungen von einer Seite zur anderen durchlaufen.
Diese Synästhesie-Form lässt sich ähnlich beschreiben:
Ein Synästhetiker mit Ticker-Tape-Synästhesie sieht gesprochene, bzw. gedachte Sprache ganz automatisch als Abfolge von Worten über seinen inneren Monitor laufen.
Das kann man sich so vorstellen, als wenn permanent Titel oder Untertitel eingeblendet werden:
Wenn Du mit jemandem sprichst, siehst Du alles was gesagt wird, als Wörter ins „Bild“ kommen. Auch Deine eigenen Sätze.
Trotzdem sieht ein Synästhetiker in der Regel ganz normal mit den Augen alles, was ein Nicht-Synästhetiker auch sieht. Die eine Welt spielt sich im Außen ab, die andere eben innerlich.
Meistens bleiben die Wörter einen kurzen Augenblick auf dem „Bildschirm“ und verblassen dann wieder bis sie verschwinden.
Verschiedene Ausprägungen des Ticker-Tapes
Die Ticker-Tape-Synästhesie gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Die meisten Synnies haben tatsächlich eine Art Untertitel in einem Teil ihres Blickfeldes.
Die Wörter können von rechts nach links, links nach rechts, oben nach unten, unten nach oben, von hinten nach vorne und umgekehrt ins „Bild“ laufen. Bei manchen ploppen sie auf und sind einfach da.
Je nach Ursprungsquelle können die Wörter auch von verschiedenen Richtungen ins Bild kommen. Zum Beispiel wenn ein Sprecher links und ein Sprecher rechts von einem steht. Wörter laufen dann etwa von links und von rechts ins Blickfeld.
Jeder Synästhetiker wird sein Ticker-Tape wahrscheinlich ein wenig anders beschreiben.
Bei mir passt sich die Schriftgröße meines Tickers auch an die Lautstärke und die Kräftigkeit der Stimme an. Je lauter, desto größer oder stärker die Wörter.
Neu war für mich, dass manche Synnies den Ticker direkt aus den Mündern von Personen kommen sehen. Wie bei Sprechblasen, die man von Comics kennt.
Einen AUS-Knopf gibt es nicht
Wie bei anderen Synästhesieformen lässt sich auch das Ticker-Tape nicht einfach abstellen.
Es ist eben immer präsent, wenn Sprache gehört, gesprochen oder gedacht wird: Hörbücher, Radio, Fernsehen, Vorträge, Telefonate, Hintergrundgespräche im Bus und Büro, Wortschnipsel in der Fußgängerzone oder beim Reflektieren der eigenen verbalen Gedanken. Alles wandert über den inneren Bildschirm.
Gedanken empfinde ich von der Ebene etwas näher an meinem Kopf als die Ebene der gesprochene Sprache. Beide Ebenen sind Teil meines Ticker-Tapes und kommen sich eigentlich nicht in die Quere.
Mit einer Ausnahme..
Ticker-Tape bei Stress
Ich habe festgestellt, dass die Wörter unter Stress länger auf dem inneren Monitor bleiben oder sogar feststehen und nicht verschwinden. Das überlagert sich dann mit jedem neuen Wort, das dazu kommt.
Wenn dann noch meine Gedanken dazukommen, verdichtet sich alles vor meinen Augen.
Im schwierigsten Fall erkenne ich dann nichts mehr und es fällt mir schwer, etwas zu sagen oder zu verstehen. Dann falle ich in eine Art Trance. Wie wenn der Computer einfriert und hängt.
Ein sehr unangenehmer Zustand, für den mein Körper extra Zeit benötigt, um ihn aufzulösen. Das kommt zum Glück aber nur selten vor.
Wort-Teppiche durch Gespräche
Wenn ich sehr konzentriert bin, webt sich der Verlauf eines Gesprächs in eine Art Wort-Teppich. Die über Ticker-Tape aufgenommenen und wieder verschwundenen Wörter sind dann ganz schwach viel weiter weg doch noch irgendwie da. Wie dünne Fäden in einem Gewebe.
Ich kann das Gebilde heranholen und mir einzelne Wortlinien nochmal anschauen. So kann ich oft erkennen, wenn irgendetwas nicht stimmen kann oder unklar für mich ist.
In so einem Fall macht sich eine Stelle im Wort-Teppich bemerkbar, indem sie sich wölbt oder farblich abhebt.
Das gehört aber warscheinlich eher nicht zur Ticker-Tape-Synästhesie. Es ist wohl eher eine Methode der Erinnerung, denke ich.
Augen schließen
Manche Synästhetiker können Gesagtes schlecht verstehen, wenn sie die Wörter auf ihrem Ticker-Tape nicht erkennen oder ablesen können.
Das kann vorkommen, wenn sich bei Gesprächen zu viele Stimmen gleichzeitig zu einem undurchsichtigen Knäuel vermischen. Oder wenn noch andere Geräuschquellen dazukommen und das Gesagte akustisch nicht richtig aufgenommen werden kann.
Auch bei jemandem, der nuschelt, muss man eventuell zwei Mal hinschauen.
Hier kann es helfen, die Augen zu schließen.
Mir hilft es, weil ich mit geschlossenen Augen das Gesagte dann besser sehen kann und nicht noch die anderen visuellen Informationen von außen mitverarbeiten muss.
Hohe Dunkelziffer?
Einer der führenden deutschen Synästhesie-Forscher hat im Mai 2019 in einer Ausgabe der ZEIT beschrieben, dass er erst vor kurzem durch Zufall seine eigene Ticker-Tape-Synästhesie entdeckt hat.
Für ihn war diese Wahrnehmung einfach so normal, dass er es bislang nie in Betracht gezogen hatte, selbst ein Ticker-Tape-Synästhetiker zu sein.
Ticker-Tape dürfte eine der Synästhesie-Formen sein, die auch von Synnies oft noch unentdeckt ist oder erst spät als synästhetische Erfahrung erkannt wird. Auch ich bin erst viel später darauf gekommen, dass auch diese Form der Wahrnehmung zur Synästhesie gezählt wird.
Es lohnt sich also, die eigene Wahrnehmung einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Du kannst das zum Beispiel mit diesen Möglichkeiten ausprobieren.
Elenitsa meint
Hallo, ich bin ein Synnie mit Ticker-Tape. Was aber noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die vor meinem inneren Auge erscheinenden Texte, ist Folgendes:
Wenn ich an Menschen denke, die in einer anderen Stadt / einem anderen Land / weit weg wohnen, sehe ich immer zunächst eine Landkarte des betreffenden Kontinents oder Landes, daraufhin wird „eingezoomt“ in das Land, die Stadt, die Straße usw., bis ich bei den Personen „ankomme“. Dies kann ich nicht abstellen. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der diese Erfahrungen ebenfalls macht; hänge es aber selbst auch nicht an die große Glocke. Ist dies eine bekannte Form von Synästhesie?
Heike meint
Hallo Elenitsa,
diese Form von Synästhesie ist mir nicht bekannt, was aber nicht heißt, dass es sie nicht geben kann.
Musst Du dafür denn vorher einmal bei den Personen gewesen sein? Also „stimmen“ die Bilder der Stadt/der Straße mit der Realität überein?
Siehst Du dann immer die gleichen Bilder? Oder fühlst Du Dich eher in Echtzeit richtig live vor Ort bei den Personen und hast das Gefühl sie zu „besuchen“?
Ich frage, weil ich bei Deiner Beschreibung spontan an „AKE“ (außenkörperliche Erfahrungen) oder „OBE“ (Out-of-Body-Experiences), Klarträume etc. denken musste ;- ). Wenn Dich das interessiert, Robert Monroe hat u.a. in seinen Büchern von diesem „Einzoomen“ und „Ankommen bei Personen“ geschrieben. Das passiert normalerweise aber nicht ohne weiteres im Alltag bei vollem Bewusstsein.
So wie Du es beschreibst, kann es auch einfach eine praktische, kreative Art von Gedächtnisstütze sein, die Dein Gehirn da entwickelt hat.
Viele bunte Grüße,
Heike
Philipp H. meint
Ich stelle mir oft ein typisches Ortsschild vor, mit dem Namen das Ortes darin. Vollkommen egal ob ich schon einmal dort war oder nicht. Dann, jenachdem ob erwähnt wurde ob es ein Dorf, eine Stadt, oder Großstadt ist, stelle ich dazu dann ein entsprechendes Bild hinter diesem Ortsschild. Also Bei Stadt zum Beispiel sehe ich Fabrikschornsteine, größere Häuser, Autos auf Straßen.
Wenn es in Deutschland ist, passiert das zoomen nicht. Ich bin ja schon in diesem Land. Aber wenn es um eine ausländische Ortsschaft geht, zoome ich raus, drehe zum Beispiel nach Afrika, zoome zufällig irgendwo rein, da ich oft nicht zwingend weiß wo dort besagter Ort liegt, sehe den Ort von oben und dann tut sich da auch was mit Schild und so. Aber nicht gelb und schwarz, sondern einfach nur ein farbloses Viereck Namen darin.
Und dann auch, irgendwie leider, bestimmte stereotypen des genannten Landes. Farbige Leute in Afrika z. b.
Ich höre dann auch gerne Geräusche. So ein steiniges drehen, wenn sich die Welt auf Afrika zum Beispiel dreht. Ein wooosh wenn ich raus zoome. Oder ffft beim reinzoomen. Es kommt auch vor, dass ein Piepsen auftaucht, wenn die Stadt lokalisiert wurde.
Die Geräusche sind allerdings weniger vorhanden, je schneller die Leute reden. Ich frage auch öfter nach ob es sich um ein Dorf oder eine Stadt handelt, da es schwieriger wird ansonsten der Person zu folgen.
Kathi meint
Ich kenne das auch so ähnlich. Zwar ohne Zoomen, aber wenn ich telefoniere, sehe ich die Leute immer in ihrer Wohnung, egal ob ich schon dort war oder nicht. Oder halt in der Umgebung, wo sie sind.
Wenn ich an Leute denke oder ihnen einen Brief schreibe, sehe ich das auch anhand einer Art Karte vor mir.
Auf Genaueres muss ich mal achten. Find es sehr spannend, wie du das beschrieben hast :).
Christina meint
Hallöchen!
Ich bin auch Synnie. Ich hab es eigentlich mit Musik, Töne, Instrumente die Farben, Formen, Tiere, Charakter annehmen, wenn ich sie höre. Das hab ich schon seit ich Denken kann. Ich dachte immer das ist normal bis ein Freund mich darauf hinwies, das das wohl nicht so normal ist. So kam ich dann mit Ü 30 auf das Thema Synästhesie. Ebenso haben manche Buchstaben Farben und spezielle Charaktere. Das gesprochene Wort erscheint mir auch undividuell und mir war bis gerade eben nicht bewusst, dass es auch eine Synästhesieform ist. Dein Text trifft es sehr gut. Bei mir erscheinen sogar verschiedene Schriftarten, die teilweise auch farblich unterlegt sind.
Heike meint
Hallo Christina,
da hast du jetzt etwas in Gang gesetzt ;- ) Ich habe bei der Ticker-Tape-Synästhesie noch nie darauf geachtet, ob es bei mir auch verschiedene Schriftarten sind. Das muss ich mal genauer beobachten.
Sehr spannend, man findet doch immer wieder noch neue Aspekte zum Hinschauen!
Schön, dass der Beitrag zu mehr Klarheit verholfen hat. Ja, Ticker-Tape ist eine eigene Synästhesieform.
Viele tickernde Grüße,
Heike
Leona meint
Herzlichen Dank für diesen schönen, informativen Artikel. 🙂
Ich habe auch Ticker-Tape und war mir bis vor kurzem gar nicht bewusst, dass das einen Namen hat und irgendwie ungewöhnlich ist. Bei mir erscheint die Schrift vor meinem „inneren Auge“ auf einer Art „Bildschirm“, zumeist als schlichte graue Druckschrift, manchmal auch in anderen Formaten (und zuweilen anderen Farben).
Die Lektüre hier hat mir einiges klar gemacht. Ich finde es beispielsweise schwierig, in Kneipen u. ä. Gesprächen zu folgen, wenn es viele Nebengeräusche und Nebengespräche gibt. Da ich gut höre, vermutete ich zeitweise, eine auditive Wahrnehmungsverarbeitungsstörung zu haben. Aber es ist tatsächlich so, dass sich die Wörter der Gespräche um mich herum gewissermaßen über die von meinem „Hauptgespräch“ legen. Ich muss mich dann sehr konzentrieren, die relevanten Wörter von meinem Ticker-Tape zu lesen und die anderen zu ignorieren. Außerdem ist mir klar geworden, weshalb ich Schriftdolmetschung bei Vorträgen und Untertitel bei Filmen angenehm und entspannend finde, auch bei deutschsprachigen.
Leona meint
Übrigens: die Augen zu schließen oder (weniger auffällig) eine eine einfarbige oder regelmäßig gemusterte Fläche zu schauen kann mir tatsächlich bei der Konzentration helfen. Allerdings nicht bei zu vielen Nebengesprächen. Dann hilft es mir eher, auf den Mund des Sprechers zu schauen (nicht in die Augen, das lenkt mich eher ab). Bei Wörtern, die ich gesprochen sehe, wird die Schrift sehr dominant und groß. Die Wörter aus den Nebengesprächen sehe ich noch, aber sie wird kleiner, dünn und durchscheinend, blassrosa etwa, so dass ich sie ignorieren kann.
Mir wird jetzt auch klar, weshalb ich Vorträge lieber ablese, obwohl ich grundsätzlich kein Problem mit freiem Sprechen habe. An der gedruckten Schrift kann ich mich „festhalten“, lese ich meinen Text von meinem Ticker-Tape ab und werde dabei unterbrochen, erscheinen die entsprechenden Wörter sehr prominent und bringen mich aus dem Konzept. Das ist mir bei Vorträgen ein zu großes Risiko.
Heike meint
Hallo Leona,
es freut mich natürlich, dass Dir das Lesen hier weitergeholfen hat 🙂
Deine Beschreibung mit dem „Hauptgespräch“ kann ich sehr gut nachvollziehen.
Ich muss mich auch konzentrieren, um bei einem Gesprächswirrwarr die „Hauptlinie“ besser wahrnehmen zu können. Und das Schauen auf den Mund des Sprechers hilft mir ebenfalls. Das machen aber wahrscheinlich alle (?) Leute, wenn die Geräuschkulisse laut ist und man den Sprecher schlecht hört?! Das Beobachten der Augen würde mich da auch eher ablenken.
Die Erfahrung mit dem Rausbringen bei Vorträgen kenne ich auch!
(Jetzt habe ich tatsächlich gerade auf meiner eigenen Seite gegoogelt, weil ich dachte, dass ich das irgendwo schon mal genauer beschrieben habe (habe ich aber nicht).)
Wenn bei Dir die Wörter bei einem „Gestörtwerden“ dann sehr prominent erscheinen, bleiben sie bei mir oft stehen und treten bei Stress nicht mehr so schnell in den Hintergrund. Da komme ich dann nicht so leicht wieder raus.
Bunte Grüße,
Heike
Leona meint
Hallo Heike,
ja, stimmt, bei vielen Nebengeräuschen den Sprechenden auf den Mund zu schauen hilft sicher vielen Menschen, auch ohne Ticker-Tape-Erleben.
Ich kenne es übrigens auch, dass Wörter, die mich „stören“, etwa bei Vorträgen, quasi nicht verblassen. Dann muss ich mich sehr konzentrieren, an ihnen vorbei auf die für mich relevanten Wörter zu schauen. Ansonsten stört mich das Ticker-Tape aber nicht, es läuft halt einfach mit. Darüber mehr zu erfahren, auch von den Erfahrungen anderer, finde ich aber sehr spannend.
Viele Grüße,
Leona
Heike meint
Hallo Leona,
mir ist mein Ticker-Tape im Alltag eigentlich auch nicht bewusst. Nur wenn ich etwas „suche“ oder auf etwas Gesagtes achten möchte. Und eben bei Stress, wenn es sich verdichtet. Aber sonst stört mich es auch überhaupt nicht. Zum Glück ;- )
Falls du an Austausch mit anderen Synästhetikern interessiert bist, gibt es die Möglichkeit an den Regionaltreffen der Deutschen Synästhesie-Gesellschaft teilzunehmen.
Die Treffen können kostenfrei besucht werden und es ist immer wirklich bereichernd, sich einen Nachmittag mit anderen Synästhetikern auszutauschen.
Bunte Grüße,
Heike
Aron meint
Bin ich auch einer? Also wenn mir z.Bsp der Gedanke an ein Supermodel kommt, sehe ich ganz deutlich in allen details eine aufregende Kissenschlacht oder Ähnliches.
Spass beiseite.
Danke für den sehr interessanten Artikel
Heike meint
Hallo Aron,
gerne ;- )
Maria Gödde meint
Super spannend und sehr interessant!
Meine Frage, wie hat sich ticker tape im Kindesalter dargestellt bzw ausgewirkt? Dann, wenn ein Kind noch nicht lesen kann?
Es erscheint mir möglich, dass einige Aufmerksamkeits Defizite oder Problematiken des genauen Zuhörens im Kindesalter damit zusammen hängen könnten.
Dann wäre es sehr wichtig, die Synästesie im Kindesalter mehr in den Focus der Pädagogen zu bringen. Könnte ev unerklärliche Srörungen aufhellen…
Heike meint
Hallo Maria,
das ist eine gute Frage. Ich selbst kann mich schlecht erinnern, habe aber zum Beispiel eine Erinnerung, dass ich das Wort „Kleinigkeit“ als extra Bild/Form gesehen habe. Das mache ich heute nicht mehr, sondern habe eben die Buchstaben (mit einem Farbeindruck). Erst im Nachgang erscheint manchmal noch das alte Bild von damals. Das finde ich auch interessant.
Im Bereich Synästhesie gibt es noch viel zu entdecken. Da hat sich in den letzten 20 Jahren aber viel getan, auch im Bereich Kinder & Synästhesie tut sich etwas.
Damit ließe sich vielleicht dann zumindest erklären, warum manche Bereiche oder Lehrmethoden manchmal Schwierigkeiten bereiten und andere dagegen überhaupt nicht.
Viele Grüße,
Heike
(16.1.2022)
Tanja Lehmann meint
Ich bin zwar kein Synnie, aber finde es gerade sooo interessant!
Wenn man einen Text liest, schreibt das Tape quasi nochmal mit? Also sieht man alles doppelt?
Ich habe mich auch gefragt, wie es ist, wenn man Ticker Tape hat, aber (noch) gar nicht schreiben und lesen kann. Oder wenn man eine andere Sprache nur vom Hören gelernt hat und deren Schriftzeichen gar nicht kann. Werden dann die Wörter, so gut es geht in den bekannten Schriftzeichen geschrieben? Hat man quasi nie Rechtschreibschwierigkeiten, oder werden die Wörter dann auch manchmal falsch geschrieben? Oder was ist, wenn sich die Rechtschreibung ändert?
Viele liebe Grüße
Tanja
Heike meint
Hallo Tanja,
ich habe gerade versucht mich darauf zu konzentrieren was passiert, wenn ich den Text lese ;- ) So spontan würde ich sagen, dass ich beim Lesen das Ticker-Tape nicht noch extra „sehe“. Wenn ich während des Lesens aber stark versuche, auf das Ticker-Tape zu achten, ist es ganz weit im Hintergrund. Das ist (für mich) aber gar nicht so einfach. Das hat hier irgendwie mit einem „Konzentrationsfokus“ oder „Konzentrationskonflikt“ (?!) zu tun.
Ich kann mir auch vorstellen, dass es für Assoziatoren/Projektoren etwas anders ist.
Vielleicht können andere LeserInnen hierzu etwas berichten?
Viele Synästhetiker mit Ticker-Tape-Synästhesie haben auch Farb-Graphem-Synästhesie. So ist es bei mir auch. Daher weiß ich es nicht, wie es ist, wenn jemand nicht noch zusätzlich Farben zu den Buchstaben hat.
Mir helfen die Farben nämlich sehr bei der Rechtschreibung und auch beim Vokabeln lernen. Unbekanntes erscheint dann eben als Bild mit Farben und Formen/Struktur. Dann ist es noch ein Unterschied, ob ich eine Vokabel lese oder höre. Daran orientiert sich dann das Farbbild und meine Erinnerung.
Die Rechtschreibreform hat mich damals tatsächlich hier und da in die Bredouille gebracht. Mein „Farbsetting“ für bestimmte Wörter musste ich in einem Extraschritt anpassen. Erst „erschien“ automatisch die alte Schreibweise, dann musste ich es ändern. Wie das in etwa funktioniert, habe ich versucht, hier zu beschreiben.
Es gibt aber auch Irritationen, wenn Buchstaben oder Zahlen ähnliche oder gleiche Farbnuancen haben. Da kann man dann schon mal durcheinander kommen. Leider ist man daher vor Fehlern auch nicht gefeit ;- )
Bunte Grüße,
Heike
(16.01.2022)
Tanja Lehmann meint
Danke für die Antwort! Ist es dann sehr unangenehm für dich, Texte zu lesen in denen sich viele Rechtschreibfehler befinden?
Heike meint
Unangenehm würde ich es nicht unbedingt bezeichnen. Der Lesefluss stockt eben, aber das geht dann fast jedem so, glaube ich.
Synästhetisch erkenne ich Fehler aber gut durch die Farben.
Da habe ich auch mal den Drang zu korrigieren damit die Farben wieder passen, ja ;- )
bethany meint
Hallo ich habe vorher nie darauf geachtet aber jetzt habe ich diesen Text gelesen und wenn ich darauf achte dann rutschen die Wörter ganz unten auf meinem inneren Monitor:-) vorbei. Vor allem bei Gedanken von mir. Aber eigentlich nicht wirklich in Farbe nur ein paar Wörter obwohl ich Farb-Graphem Synästhesie habe. Aber ich bemerke es nicht wirklich aber wenn ich mich darauf konzentriere ist es noch stärker da. Das ist bei Texten vor allem so. Da ist es sogar so dass ich es glaube ich gar nicht habe außer wenn ich daran denke dass ich gerade Lese dann ist es wieder da. Ich bin assoziatorin. Ist es bei projektoren so dass sie die Wörter mitten im Raum sehen? Immer wenn ich mich auf die Wörter konzentrierte und zwei Gespräche gleichzeitig sind wird es plötzlich total anstrengend und ich schließe die Augen. Und ich sehe oft das entsprechende Bild davon vor Augen an was ich gerade denke aber ich dachte das wäre normal. Komischerweise stören mich untertitel aber gar nicht. Ich habe vor kurzem auch herausgefunden dass ich Sequenz Raum habe aber das war mir immer bewusst ich dachte nur dass das normal wäre während Ticker Tape mir noch nie aufgefallen ist. Habe ich Ticker Tape? Und wie viele Synästhesie arten hat ein synnie denn durchschnittlich? Danke im voraus.
Bethany
Heike meint
Hallo Bethany,
ich kenne 2 Synästhetikerinnen, die Projektoren sind, die aber ihre Synästhesie unterschiedlich sehen.
Die eine „sieht“ z.B. Kaffeegeruch relativ nah an ihrem Körper als breiter Streifen in Blau. Und zwar so, dass sie durch das untere Drittel ihres Sichtfelds dann nicht so leicht durchgucken kann.
Die andere hat einen sehr weiten Raum um sich, in der sich die Wahrnehmungen mit viel mehr Abstand vom Körper bewegen.
Ich selbst bin kein Projektor, daher weiß ich nicht, ob die Wahrnehmungen hauptsächlich oder immer an einer bestimmten Stelle auftauchen. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass sich das je nach Reiz ändern kann.
Vielleicht liest ein Projektor ja mit und kann seine Wahrnehmung etwas genauer mit uns teilen?
Ansonsten klingt das für mich nach Ticker-Tape, ja.
Und jetzt wo du weißt, dass du da genauer „hingucken“ kannst, bin ich mir sicher, dass du dir über deine Synästhesie(n) immer klarer werden wirst.
Toll ist auch, dass du so jung schon Bescheid weißt. Das hilft sehr, glaube mir ;- )
Synästhetiker haben meistens sogar einige bis viele Synästhesien. Ich selbst dachte am Anfang auch, dass ich nur Farb-Graphem-Synästhetikerin bin. Und dann habe ich mich immer weiter damit beschäftigt und habe mehr und mehr durch Zufall entdeckt.
Das muss aber nicht sein. Es ist völlig ok so, wie es ist.
Viele Grüße,
Heike
(3.04.2023)
bethany meint
Achso was ich vergessen habe ich sehe auch songtexte auf meinem inneren Monitor aber sieht das nicht jeder? Das würde auf jeden Fall erklären warum ich mir liedtexte so viel besser merken kann als andere. Ich muss ihn nur einmal durchgehen und dann sehe ich ihn vor mir wenn ich das Lied singen will und die Wörter die ich nicht mehr weiß sind dann einfach Lücken. Danke für diese tolle Seite. Sie hilft mir viel weiter
Heike meint
Hallo nochmal,
ich kann es auch nicht recht glauben, aber es sieht anscheinend nicht jeder so.
Ich habe erst am Wochenende wieder eine kleine Umfrage gemacht und versucht, genau zu erklären, wie/wo die Leute hingucken können, um eventuell Ticker-Tape zu entdecken.
Mir hilft das auch beim Lernen. Oder beim Merken von Songtexten. Es ist ein bisschen wie Karaoke, wenn man dann die Worte vom Untertitel abliest. Das hilft ungemein ;- )
Viele Grüße,
Heike
bethany meint
Hallo Heike! Ich habe mir hier gerade noch einmal die Kommentare durchgelesen und in einem schreibst du, dass Kleinigkeit als Bild gesehen hast. Außerdem habe ich zu Ticker Tape etwas recherchiert und in vielen Artikeln wird ganz nebenbei gesagt dass man die Worte als passende Untertitel oder als passendes Bild wahrnimmt. Dann wird aber nur über die Untertitel geredet. Meine Frage ist, was ist da als Bild gemeint? Eine Farbstruktur? Bei Kleinigkeit würde mir jetzt als Erstes eine kleine Runde Kugel einfallen. Bei einem Baum sehe ich automatisch einen Baum vor mir. Ist das besonders? Der Baum verschwindet dann wieder. Aber wenn eine Katze erwähnt wird sieht da nicht jeder dann eine Katze? Übrigens überlege ich in der Schule ein Referat über Synästhesie zu halten, wer weiß vielleicht erfährt so sogar jemand aus meiner Klasse dass er oder sie Synästhetiker*in ist?
Bethany
Heike meint
Hallo Bethany,
Magst du vielleicht den Link teilen von dem Artikel, den du meinst?
Klassischerweise ist mit „ticker-tape“ diese Lauffschrift gemeint, die man von Nachrichtentickern kennt. Es können aber auch die Wörter als „Bild“ erscheinen. Die Ausprägung kann von Person zu Person sehr verschieden sein.
Ansonsten denke ich, dass ich damals – weil ich noch nicht lesen konnte, bzw. Buchstaben gelernt hatte – die Informationen anders und als Bildeindruck verarbeitet habe. Ich kann es aber nicht mehr genau erinnern. Das ist nur ein vages Gefühl.
Das, was du mit Baum und Katze meinst, ist die Vorstellung von einem Baum und einer Katze. Da hat jeder normalerweise ein anderes Katzenbild oder ein anderes Baumbild im Kopf. Soweit ich weiß, ist das bei jedem so (jetzt wo ich das schreibe, würde ich Ausnahmen aber nicht ausschließen ;- ))
Ein Referat zu halten finde ich eine wunderbare Idee.
Eventuell findest du damit sogar andere „Synnies“ in deiner Klasse. Zumindest haben dann alle mal davon gehört und wissen Bescheid.
Spannend ist das Thema allemal!
Viele Grüße,
Heike
(16.05.2023)
Lisa meint
Wer kann helfen und was hilft
mir?
Danke
Heike meint
Hallo Lisa,
was meinst du denn genau?
Hast du Schwierigkeiten mit der Ticker-Tape-Synästhesie?
Viele Grüße,
Heike
(16.05.2023)
Vi meint
hallo,
ich habe auch eine grafem-farb-synästhesie und ticker-tape. für mich tauchen die worte aber nicht einfach so auf, sondern es fühlt sich für mich wie ein inneres schreiben an. vor meinem inneren erscheint mir das dann wie eine buchseite die sich langsam füllt. manchmal ist es auch eine steintafel, in die etwas eingemeisselt wird. die schriftart variiert zwischen druckbuchstaben und braille, wobei letztere oft farbig sind. es hilft mir probleme, zusammenhänge, theorien, usw. intensiver zu verarbeiten und generell besser zu verinnerlichen. die farbenvielfalt hält bis heute auch die freude am lernen aufrecht.
noch kurz zwei dinge aus der kindheit:
ich habe sofort begriffen, das klang und schriftbild nicht immer übereinstimmen z.b. auto (das war mein wort mit a, nachdem wir bei der einschulungsfeier gefragt wurden).
zudem wurde mir erzählt, dass ich schon recht früh lange mehrsilbige worte aussprechen konnte, die für kleinkinder wohl eigentlich sehr schwierig sein sollen.
vielleicht gibt es da einen zusammenhang mit ticker-tape, vielleicht läuft das eher unterbewusst in dem alter ab.
lg
vi
Heike meint
Hallo Vi,
das mit der Steintafel ist neu für mich, aber sehr kreativ ;- )
Die sich füllende Buchseite kommt mir wiederum bekannt vor. Ich habe das manchmal wie so eine Art Teppich, der sich durch Gesprächsteile zusammenwebt. Mir hilft das wie bei dir auch bei der Einordnung und Gesamtbetrachtung.
Ich kann mir vorstellen, dass – auch wenn das Tickertape mit den Buchstaben noch nicht da war – die aufkommenden Farbeindrücke/Klangeindrücke beim Merken und Lernen geholfen haben.
Danke für’s Teilen!
Viele Grüße,
Heike
Lydia Jablonski meint
Hallo zusammen,
ich bin Ticker-Tape-Synnie, weiß das aber erst seit heute. Für mich war es immer total normal, alles gesprochene und gehörte in einer Laufschrift zu sehen.
Ich finde es total interessant, dass es Menschen gibt, die zum Beispiel Musik in Formen einordnen. Ich war mein Leben lang so auf Buchstaben fixiert, dass alles andere eher nebensächlich war. Dafür war ich aber auch gerade einmal 4 Jahre alt, als ich fließend lesen konnte.
Mir geht es übrigens mit jedem gesprochenen oder gehörten Wort so, nicht nur auf Deutsch sondern auch in allen anderen Sprachen, die lateinische Schrift benutzt.
Ich habe auch -wie oben beschrieben- Menschen, die weiter weg sind, in ihrer Umgebung vor mir, wenn ich an sie denke oder mit ihnen telefoniere. Und ich „zoome“ auch erst einmal auf einer virtuellen Landkarte, bis ich da bin, wo ich den Menschen weiß oder vermute.
Ich habe das Ticker-Tape sogar, wenn ich träume. Einzig Lesen und selbst Texte verfassen, kann das ausschalten.
Manchmal unterbreche ich meinen eigenen Satz, weil ich kurz überlege, wo ein Komma hingehört zum Beispiel 🙂
Die Rechtschreibreform hat mich irre gemacht. Delphin mit „f“ zu schreiben, beispielsweise, sieht für mich einfach falsch aus und irritiert mich.
So, nun habe ich meinen Senf dazugegeben. Danke für diese Seite, war super interessant!
Liebe Grüße!
Heike meint
Hallo Lydia,
willkommen!
Wenn Du erst jetzt Ticker-Tape entdeckt hast, wirst Du eventuell noch Weiteres entdecken ;- )
Mir ging es mit der Rechtschreibreform genauso. Es hat mich damals sehr verwirrt und auch heute „flackern“ beide Schreibweisen hin- und her, bzw. ich weiß oft nicht genau, was jetzt die aktuelle ist.
Die Farben sind (bei mir) dann auch ganz anders. „Delphin“ hat eine schöne hautfarbene Mitte und „Delfin“ – obwohl es thematisch besser passen würde – ist blau in der Mitte. Aber ich habe ersteres gelernt und fest abgespeichert. Es sieht für mich einfach schöner und passender aus.
Viele Grüße,
Heike
(14.3.2024)
Elenitsa meint
Hallo an alle,
entschuldigt, Leute: Ich habe eine Weile nichts hören lassen, weil es medizinische Probleme gab, die zuerst gelöst werden mussten.
Jetzt ist aber alles OK, deshalb melde ich mich wieder.
Mein Ticker-Tape äußert sich auf vielerlei Weise, wie bei etlichen Anderen von euch offenbar auch.
Fremdsprachen werden ebenso gelesen wie die Muttersprache. Interessant ist aber, dass z.B. Arabisch (ich kann ein bisschen) von rechts nach links läuft; ebenso Hebräisch. Farben sehe ich keine, alles ist schwarz-weiß.
Die fast zeitgleich stattfindenden Rechtschreibreformen in Deutsch und Niederländisch haben mich damals schwer aus der Fassung gebracht. Ich bin Übersetzerin und sollte daher orthographisch perfekt sein.
Ich habe es immer für selbstverständlich gehalten, dass gesungene Texte wesentlich leichter zu merken sind als geschriebene und staune nicht schlecht darüber, dass dies hier offenbar mit Ticker-Type assoziiert wird.
Im Großen und Ganzen schätze ich mich glücklich, Synnie zu sein, hänge es aber in der Regel nicht an die große Glocke.
Interessant, dass man immer wieder Neues erfährt.
Heike meint
Hallo Elenitsa,
schön, dass Du wieder vorbeischaust!
Interessant mit dem Arabisch.
Haben die Silben nicht auch nach und nach die Farben von deinem deutschen Alphabet angenommen? Oder zumindest eine Art Schatten oder Eindruck drauf?
Ich habe Japanisch gelernt und festgestellt, dass sich durch häufiges Wiederholen der Zeichen nach und nach dann eine Farbe „draufgelegt“ hat, die der Aussprache oder Umschreibung ins Deutsche ähnelt.
Als wenn mein Gehirn sich da erst dran gewöhnen musste. Zeichen, die ich selten benutze, haben auch erstmal nur schwarz-weiß. Dafür kann ich sie mir aber auch nicht oder nur schlecht merken.
Ja, es gibt immer wieder Neues!
Ich war vor 2 Wochen auf einer Synästhesie-Konferenz in Oxford und was aktuell an Forschungen läuft ist wirklich spannend.
Schade nur, dass man im Alltag davon noch so wenig mitbekommt.
Viele Grüße,
Heike
(23.05.2024)